Zahlen, Daten, Fakten
IHK-Bezirk ist Top-Ausbildungsregion
IHK ehrt 29 landesbeste, davon acht bundesbeste Azubis
Trotz der Corona-Krise ging das Jahr 2020 für die Ausbildungsbetriebe der IHK-Region Kassel-Marburg mit einem herausragenden Erfolg zu Ende: Von den 156 Absolventen der Prüfungen, die mit einem Einser-Ergebnis abgeschlossen haben, können sich acht mit dem Titel des bundesbesten Auszubildenden in ihrem Beruf schmücken. Gemeinsam mit weiteren 21 Prüfungsbesten tragen sie auch den Titel des Landesbesten. „Dies ist ohne Frage ein außergewöhnliches Ergebnis für die Ausbildungsbetriebe und die jungen Menschen,“ kommentierte der IHK-Präsident Jörg Ludwig Jordan. „Wir sind stolz auf die Leistungen, die gerade unter den widrigen Umständen der Corona-Pandemie dieses Jahres nötig waren, um ein solches Resultat zu erreichen.“ …
Der IHK-Präsident sprach damit gleichermaßen die Betriebe
wie die ehemaligen Auszubildenden an. Insgesamt, so der
Präsident weiter, sei dies auch ein Beweis für die
Leistungsfähigkeit und die Motivation der Ausbilder in der
Region, die das System der dualen Ausbildung mit Leben
füllen: „Die Absolventen dürfen sich zur Elite unseres
Fachkräfte-Nachwuchses zählen, den die Wirtschaft in
Nordhessen und im Kreis Marburg Jahr für Jahr gemeinsam
mit den berufsbildenden Schulen ausbildet. Wir stehen im
bundesweiten Vergleich bestens da. Unsere Absolventen sind
Top-Fachkräfte und werden hoffentlich der heimischen
Wirtschaft erhalten bleiben.“
3700 Auszubildende waren in diesem Jahr zur
Abschlussprüfung angetreten. Insgesamt über 1900 Prüfer
nahmen die Prüfungen ab. In Hessen schafften es insgesamt
20 der jungen Leute unter die Bundesbesten, Kassel-Marburg
liegt mit acht Besten weit vorn auf Platz eins, gefolgt
von Fulda und Wiesbaden mit je drei Besten, Frankfurt,
Hanau und Darmstadt mit je zwei Besten auf den Plätzen.
Ehrungen nur aus der Ferne und digital
Zum großen Bedauern aller Verantwortlichen konnten diese
großen Erfolge nicht in der gewohnten
öffentlichkeitswirksamen Art gefeiert werden. Statt im
Frühjahr die besten Absolventen in einer großen
Veranstaltung gemeinsam zu ehren und auszuzeichnen,
mussten Urkunden und Himmelsstürmer-Pokale auf dem Postweg
überreicht werden. Im Herbst bot die nach wie vor
problematische Lage rund um Corona Anlass zur ersten
digitalen Auszeichnungsveranstaltung in der Geschichte der
IHK und des beruflichen Prüfungswesens. Alle 29 Besten der
Sommerprüfung 2020 wurden mit ihren Betrieben eingeladen,
sich digital über eine Videoplattform mit den anderen
erfolgreichen Prüflingen zu vernetzen, um gemeinsam mit
IHK-Präsidenten Jörg Ludwig Jordan und
IHK-Hauptgeschäftsführerin Sybille von Obernitz das
Ereignis zu feiern. Erfreulicherweise zeigte sich, dass
man durch das moderne digitale Format durchaus in der Lage
war, einen würdigen Rahmen für Worte und Gesten der
Anerkennung und des Respekts zu schaffen.
Zusätzlich zu dieser Online-Auszeichnung ehrten
IHK-Verantwortliche in den Regionen stellvertretend für
alle Einser-Absolventen jeweils einen Spitzen-Azubi in
einer kleinen Feierstunde, selbstverständlich unter
Wahrung der Hygieneregeln.
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Betriebe aus dem IHK-Bezirk
sind hessenweit auf Platz 2
Die Zahl der neu gemeldeten Ausbildungsverträge im IHK-Bezirk wurde von der Corona-Pandemie und ihren Auswirkungen natürlich auch beeinflusst. Trotzdem positioniert sich die IHK Kassel-Marburg mit einem Endergebnis von lediglich minus 10,5 Prozent bei den Neueintragungen im Vergleich zum Vorjahr im Hessenvergleich unter den zehn Industrie- und Handelskammern auf Platz 2. Das Ergebnis spiegelt nach Auffassung von Dr. Thomas Fölsch, Bereichsleiter Aus- und Weiterbildung, die schwierige Lage der Unternehmen zwischen dem Bedarf an Fachkräften einerseits und der großen Corona-Verunsicherung andererseits wider: „Ganz offensichtlich hat in Nordhessen und Marburg die wirtschaftliche Zuversicht das Handeln der Betriebe bestimmt, so dass sie von ihrem Plan weiterhin auszubilden, nur zu einem kleinen Teil abgewichen sind.“ …
Der Rückgang der eingetragenen Ausbildungsverhältnisse
wirkte sich innerhalb der einzelnen Berufsgruppen und
Regionen unterschiedlich aus. Die Analyse der vorliegenden
Zahlen ergab Hinweise auf Ursachen für die teilweise
zurückhaltende Einstellungspraxis der Betriebe, aber auch
dafür, dass Jugendliche in diesem Jahr die offenen
Ausbildungsstellen nicht besetzten und Alternativen
wahrnahmen.
Die Metall- und Elektroindustrie hatte in den drei
zurückliegenden Jahren deutlich zugelegt (durchschnittlich
+ 3,7 Prozent), so dass nachvollziehbar wurde, dass die
Zahl der neuen Verträge gerade im Jahr der Krise nicht
wieder anstieg. Ähnlich stellte sich die Situation im
Handel dar, der nach außergewöhnlichen Zuwächsen 2017 und
2018 schon im vergangenen Jahr ein Minus zu verzeichnen
gehabt hatte. Der Handel ist traditionsgemäß auch jene
Branche, die geringfügige Konjunkturschwankungen und
verändertes Käuferverhalten sofort zu spüren bekommt.
Positiv war, dass im Beruf Kaufmann im E-Commerce in
diesem Jahr über 35 neue Ausbildungsverträge geschlossen
wurden, obwohl der zunehmende Online-Handel dem
stationären Handel bislang eher zu schaffen machte.
Positiver Nebeneffekt: Damit war die Region Kassel-Marburg
in diesem Beruf die ausbildungsstärkste Region in Hessen
(hessenweit insgesamt 70 Ausbildungsverträge).
In anderer Weise konnte man für die Industriekaufleute,
normalerweise eine starke Stütze der Ausbildung, in der
Gastronomie/Hotellerie und bei den Banken feststellen,
dass Corona eine vielversprechende Entwicklung abrupt
gestoppt hatte. „Wir verstehen diese Zahlen so, dass nach
wie vor Bedarfe und Bereitschaft auszubilden vorhanden
sind. Nur die externen Faktoren konnten den Betrieben im
Jahr 2020 einen Strich durch die Ausbildungsrechnung
machen“, erläuterte Dr. Thomas Fölsch. Die IHK werde
deshalb weiterhin alles daransetzen, die Lücke zwischen
Angebot und Nachfrage zu schließen.
Unterschiedliche Entwicklung in den Regionen
In den Regionen zeigte sich ein unterschiedliches Bild.
Während der Landkreis Hersfeld-Rotenburg ein insgesamt
sehr positives Ergebnis mit plus 1,4 Prozent aufwies und
dabei zu großen Teilen von der Sonderkonjunktur im
Bausektor der Region profitierte, gerieten Kassel-Land
(minus 18,4 Prozent) und der Werra-Meißner-Kreis (minus
18,3 Prozent) ins Hintertreffen. Die Stadt Kassel und der
Landkreis Waldeck-Frankenberg (beide minus 12,1 Prozent)
schrieben zweistellige Verluste, die Stadt Marburg (minus
9,9 Prozent) und der Schwalm-Eder-Kreis (minus 9,7
Prozent) landeten im Mittelfeld des Regionalrankings.
Hier zeigten sich verschiedene Einflüsse. Im
Werra-Meißner-Kreis etwa wirkten sich die genannten
Effekte im Bereich der Metall- und Elektroindustrie aus
sowie Umstrukturierungen im Bankenbereich. Auch der
strukturell in Bezug auf seinen Branchenmix gut
aufgestellte Landkreis Waldeck-Frankenberg konnte die
Einbußen im Metall- und Elektrosektor und auch die
Auswirkungen in der Gastronomie und im stationären
Einzelhandel nicht kompensieren. Anders dagegen stellte
sich die Lage im Schwalm-Eder-Kreis, einem bekanntermaßen
starken Bereich der Logistikwirtschaft, dar. Gerade dieser
Ausbildungsbereich verlor nach sehr guten Jahren die
Hälfte der Vertragszahlen des Vorjahres. Gegen den
allgemeinen Trend jedoch legten im Schwalm-Eder-Kreis
Handel und Elektrotechnik deutlich zu. In der
Wirtschaftsregion Stadt und Landkreis Kassel sowie in
Marburg wirkten sich die bereits beschriebenen Ursachen
der Metall- und Elektroindustrie sowie des Handels und der
Gastronomie ebenfalls aus.
Alles in allem bilanzierte die IHK, dass die Corona Spuren
hinterlassen hat: „Positive Ansätze bei der Ausbildungs-
und Übernahmebereitschaft der Betriebe, die wir zu Beginn
des Jahres noch in unserer jährlichen Online-Umfrage
bestätigt fanden, werden durch die Pandemie zum Teil
hinterfragt“, sagte Dr. Thomas Fölsch. „Globale Tendenzen
wie das Wachstum des Onlinehandels und Umstrukturierungen
im Bankensektor sowie die Transformation in der Metall-
und Elektroindustrie haben ebenfalls Einfluss auf die
Entwicklung am Ausbildungsmarkt.“ Dennoch blieb Fölsch für
2021 optimistisch: „Die bereit gestellten Fördermittel
müssen und werden ihren Wert noch beweisen. Zusätzlich
muss festgehalten werden, dass das duale Ausbildungssystem
sehr stabil ist, ausgezeichnete Karrierechancen bietet und
im Kammerbezirk über 4200 Jugendliche aktuell in eine
tolle und sichere Zukunft gestartet sind.“
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Prüfungen | Unter neuen Bedingungen
Corona fordert enorme Flexibilität
bei Ausrichtung der
Prüfungen
Der Kampf gegen die Ausbreitung des Corona-Virus im Frühjahr hatte die Industrie- und Handelskammern bundesweit vor große, noch nie dagewesene Herausforderungen gestellt. Nie zuvor hatte die Notwendigkeit bestanden, Prüfungstermine zu verschieben, Prüfungen auszusetzen oder gar eine vollständige Prüfungskampagne ein zweites Mal zu planen. Vor diesem Hintergrund erschien es mehr als ungewiss, wie sich die besonderen Umstände des umgestalteten Prüfungsverfahrens auf die Ergebnisse der angehenden Fachkräfte auswirken würden. Der Unterricht in den Berufsschulen konnte nicht wie gewohnt in Präsenzform durchgeführt werden, große Teile der Ausbildungsbetriebe gingen in die Kurzarbeit und mussten ihre Auszubildenden ins Home-Office schicken, neue digitale Unterrichtsformate mussten erprobt werden, die Prüfungstermine selbst standen unter den Vorzeichen besonderer Maßnahmen der Hygiene- und Gesundheitsvorsorge. …
Abstandsregelungen, Maskenpflicht, Desinfektionsregeln und
ein erneut verstärktes, striktes Organisationsmanagement
vor Ort bildeten für Prüfer ebenso wie für die zu
prüfenden Azubis Rahmenbedingungen der besonderen Art. Für
die Organisatoren auf Seiten der IHK ergab sich die
Aufgabenstellung, Rechtssicherheit des Prüfungsverfahrens
in jeder Phase der Prüfung mit den Vorgaben der
Hygienekonzepte zu kombinieren. Ziel musste es sein, allen
Beteiligten gleichermaßen die rechtskonforme Durchführung
und die gesundheitsorientierte Organisation zu
gewährleisten. Schaut man auf die Leistungsbilanz der Prüfungskampagne 2020, lösten sowohl die Berufsschulen und Betriebe als auch die IHK diese Aufgabe sehr gut.
Die Zwischenprüfung Frühjahr 2020 wurde aufgrund der
Pandemie ersatzlos gestrichen, daher fehlen hier gegenüber
dem Vorjahr rund 1500 Prüfungsteilnehmer. Die für April
und Mai geplanten schriftlichen Abschlussprüfungen wurden
in den Sommer verschoben. Im Bezirk der IHK Kassel-Marburg
waren davon etwa 3700 Auszubildende betroffen. Es galt,
neue Räume für verschobene Prüfungen zu finden und alle
Azubis sowie Ausbildungsbetriebe individuell über die
Neuerungen zu informieren. Mit Hilfe eines umfassenden
Fahrplans für die neue Prüfungssituation entstand ein
strukturiertes, sorgfältig durchdachtes Konzept. Darin
stand die Gesundheit der Prüfungsteilnehmer, der
ehrenamtlich tätigen Prüfer sowie der Prüfungsaufsichten
an erster Stelle. Zusätzlich übernahmen IHK-Mitarbeiter
die Aufsicht der Prüfungen, wenn die ursprünglichen
eingeplanten Prüfungsaufsichten zu einer Risikogruppe
gehörten. Ende November fanden dann trotz des
Teil-Lockdowns auch die bundeseinheitlichen schriftlichen
Winterabschlussprüfungen ohne Probleme statt. Rund 1700
Auszubildend nahmen teil. Das im Frühjahr entwickelte
aufwändige, aber sichere Konzept zur Einhaltung von
Hygieneregeln hat sich bewährt und wird weiterhin
eingesetzt.
Im Ergebnis gelang es, dass die potenziellen
Nachwuchskräfte ihre Berufsausbildung erfolgreich und
fristgerecht zu Ende führen und die Abschlussprüfung unter
wie immer fairen und rechtssicheren sowie diesmal auch
gesundheitlich risikolosen Umständen ablegen konnten.
Services rund um Prüfungen digitalisiert
Neben den umfangreichen Planungen für die sichere
Durchführung der Prüfungen musste 2020 die Digitalisierung
vieler Services rund um die Prüfungen weiter
vorangetrieben werden. Das OnlineAnmeldeverfahren wurde
für sämtliche Ausbildungsberufe eingeführt und wird
inzwischen von mehr als 10.000 Prüfungsteilnehmern
genutzt. Ausbildungsbetriebe und Prüfungsteilnehmer haben
somit jederzeit einen transparenten Überblick zum
Anmeldeverfahren und können ihren aktuellen Anmeldestatus
selbstständig prüfen.
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Bildungsberatung in der Pandemie
Digitale Arbeitsformen, Videokonferenzen
und
Online-Treffpunkte
Das Jahr 2020 begann mit einer wichtigen Initiative des Bundesgesetzgebers, der nach langen und zähen Beratungen das reformierte Berufsbildungsgesetz in Kraft setzte. So hatten die Bildungsberater die Aufgabe, die Ausbildungsbetriebe der Region zeitnah und umfänglich über die Neuerungen zu informieren. Wesentliche Inhalte waren die Neuregelung des Prüfereinsatzes, die Einführung einer Mindestvergütung für Auszubildende und eine erweiterte Freistellungsregelung für den Berufsschulbesuch. Zahlreiche Beratungsgespräche drehten sich um letzteren Aspekt, der für alle Betriebe eine spürbare Umstellung erforderte. …
Der Beginn der Corona-Pandemie, einhergehend mit dem
Lockdown vieler öffentlicher Aktivitäten, erlegte auch dem
Team Bildungsberatung den zeitweisen Rückzug ins
Home-Office und die gleichzeitige Intensivierung der
Beratungsarbeit per Telefon auf. Ziel war es durchgehend,
den engen Kontakt zu den Ausbildungsbetrieben nicht
abreißen zu lassen und den Betrieben gerade unter den
erschwerten Bedingungen des Lockdowns die
Ausbildungsarbeit weiterhin zu ermöglichen. Gleiches galt
für die Kolleginnen in der Verzeichnisführung, einem
wichtigen Funktionsbereich der hoheitlichen Aufgaben der
IHK-Bildungsberatung. Möglich wurde dies durch die rasche
und unkomplizierte Einarbeitung in weitere
digitale Arbeitsformen, Videokonferenzen und
Online-Treffpunkte.
Mit Beginn der Pandemie-Maßnahmen begannen die Planungen
für die Fortsetzung der Kampagne Ausbildung 2020! Perfect
Match #GemeinsamDurchstarten in enger Zusammenarbeit mit
dem Team Fachkräfte. Kernelemente dieses Maßnahmenkatalogs
waren die Beratungshotline rund um das Thema
Berufsorientierung und erste Online-Seminar-Angebote für
Ausbildungsbetriebe, Schüler und Lehrer.
Digitale Wege der Informationsvermittlung wurden für alle
Beratungsthemen konsequent erschlossen und wo immer es
notwendig und möglich war, erprobt. Dazu zählten das
erweiterte Homepageangebot, das Bildungsportal, der
klassische Mailkontakt, Video- und Telefonkonferenzen.
Die einsetzenden Lockerungen des ersten Lockdowns
ermöglichten endlich wieder direkte Kontakte bei
Betriebsbesuchen. Die Erfüllung des gesetzlichen
IHK-Auftrages mit Maske und Visier stellte für alle
Beteiligten eine völlig neue Erfahrung dar, erleichterte
aber grundsätzlich die Beratungen. Spürbar in den
Ausbildungsbetrieben waren Nachholeffekte aufgrund des
temporären Lockdowns. Bis weit in den September hinein
wurden neue Ausbildungsverhältnisse für das laufende
Ausbildungsjahr 2021 geschlossen, die die Berater
zuversichtlich in das neue Jahr gehen lassen.
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IHK-Umfrage | Ausbildung in Zeiten von Corona
Unternehmen zeigen trotz der Pandemie
hohe Ausbildungsbereitschaft
Trotz der enormen Auswirkungen der Corona-Krise war die Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen in Nordhessen und dem Kreis Marburg im Juni hoch. Das zeigte eine Online-Umfrage der IHK Kassel-Marburg, an der 274 regionale Ausbildungsbetriebe teilnahmen. Danach hielten 98 Prozent der Unternehmen an ihren Einstellungsplänen für das bevorstehende Ausbildungsjahr fest. Damit lag das Ergebnis der Region noch um sechs Prozentpunkte höher als das Hessen-Ergebnis: „Das ist ein wichtiges Signal, das Mut macht. Auch während und nach der Krise sind Fachkräfte gefragt und die Motivation der Betriebe auszubilden, bleibt sehr hoch,“ zeigte sich IHK-Präsident Jörg Ludwig Jordan zuversichtlich. …
Die Eintragungszahlen neuer Verträge aus dem Herbst
zeichnete jedoch zunächst ein anderes Bild. Die Zahl der neu eingetragenen Ausbildungsverträge verfehlte mit einem Minus von 10,5 Prozent das Vorjahresergebnis klar. Plausibel wird dieser scheinbare Widerspruch, nimmt man die Zahl der unversorgten Bewerber im Jahr 2020 hinzu, wie
sie beispielsweise von der Arbeitsagentur Kassel im
September veröffentlicht wurde: Demnach waren allein im
Agenturbezirk Kassel/Werra-Meißner noch knapp 600
Jugendliche ohne Ausbildungsplatz. Im Hinblick auf den
Verzug bei der Zahl der neuen Ausbildungsverträge müsse
man vor allem die allgemeine Verunsicherung und die durch
die Krise massiv erschwerte Berufsorientierung bedenken,
erläuterte der IHK-Präsident. So veränderte Corona die
Ausgangslage für alle am Ausbildungsprozess beteiligten
Gruppen wie Betriebe, Schulen sowie Schüler und Eltern
deutlich. Vor dem Hintergrund des Krisenmanagements der
Unternehmen gerieten die Belange der Ausbildung allen
Vorsätzen zum Trotz ins Hintertreffen. Zu bedenken bliebe
jedoch, dass für die Betriebe eine geringere Zahl an nicht
genutzten Ausbildungsstellen einen harten Einschnitt in
die Personalplanung und -entwicklung der kommenden Jahre
bedeutet.
Dort, wo Ausbildung in der akuten Krisensituation des
Lockdowns zu Beginn der Pandemie im März stattfand,
gestaltete sich laut Umfrage der Ausbildungsalltag in den
Betrieben trotz der Corona-Einschränkungen professionell.
Für drei Viertel der Azubis (75,4 Prozent) lief die
Ausbildung normal im Betrieb weiter. In 34 Prozent der
Betriebe befanden sich die Azubis gelegentlich im
Home-Office oder arbeiteten mobil. Deren Aussichten, nach
der Ausbildung eine berufliche Laufbahn in der Region zu
beginnen, waren überwiegend positiv. 59 Prozent der
Betriebe gaben an, ihre Auszubildenden nach erfolgreicher
Ausbildungsprüfung übernehmen zu wollen. 24 Prozent der
Betriebe wollten sich in diesem Punkt mit Rücksicht auf
die ungewisse Zukunft zurückhalten.
70 Prozent der beteiligten Betriebe gaben an, für das
Ausbildungsjahr 2020 Ausbildungsabsichten zu haben, nur
drei Prozent bildeten zum Zeitpunkt der Umfrage nicht aus.
Knapp mehr als ein Viertel der aktiven Ausbildungsbetriebe
machten somit geplant eine Pause von der Ausbildung.
Corona als Ursache für diese strategische Entscheidung
scheidet also aus, eher kann man auf die Anstrengungen der
vergangenen Ausbildungsjahre verweisen, in denen
durchschnittlich noch um die zwei Prozent mehr
Ausbildungsverhältnisse eingegangen wurden. Unterstrichen
wird die im Prinzip ungebrochene Bereitschaft auszubilden
auch durch die Tatsache, dass nach Angaben der Betriebe
nur zwei Prozent von ihnen Ausbildungsverträge aufgrund
der Corona-Krise vorzeitig aufgelöst hatten.
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Perfect Match | IHK startet Ausbildungsoffensive
Hilfe und Stabilisierung für den regionalen Ausbildungsmarkt
Nachdem sich Deutschland im Frühjahr im ersten Lockdown befand, blieben nicht nur die Berufsschulen für längere Zeit geschlossen, sondern auch die wichtigen Berufsoritentierungsmessen mussten abgesagt werden. Um bei der Stabilisierung der Situation auf dem regionalen Ausbildungsmarkt zu helfen, startete die IHK Kassel-Marburg unter dem Titel Ausbildung 2020! Perfect Match #GemeinsamDurchstarten Mitte Mai ein umfangreiches Beratungs- und Informationsprogramm. Neben den 2700 Ausbildungsbetrieben in Nordhessen und dem Kreis Marburg, die ihre Akquiseaktionen zum Besetzen von Ausbildungsplätzen nicht in gewohnter Weise realisieren konnten, traf der Ausfall der Berufsorientierungsveranstaltungen insbesondere die Schüler der Abgangsklassen. …
„Unser primäres Ziel ist es, möglichst allen Jugendlichen,
die einen Ausbildungsplatz suchen, ein Angebot
unterbreiten zu können“, sagte IHK-Hauptgeschäftsführerin
Sybille von Obernitz dazu. Die dafür kurzfristig
aufgestellte Kampagne schlage einerseits eine Brücke
zwischen Bewerbern und Betrieben und leiste andererseits
Schulabgängern Hilfestellung bei der Berufsorientierung.
Ein besonderes Augenmerk lege die IHK dabei auf die Eltern
der Schulabgänger.
Um gezielt zu beraten und zu vermitteln, richtete die IHK
eine
Berufsorientierungs-Hotline ein, über die
sich Eltern und Schüler täglich zwischen 9 und 17 Uhr
beraten lassen konnten. Die Hotline richtete sich ebenso
an Unternehmen, denen es Probleme bereitete,
Vertragsverhältnisse mit Auszubildenden
aufrechtzuerhalten, oder die sich unsicher waren, ob sie
zu Corona-Zeiten ausbilden sollten. Parallel dazu baute
die IHK virtuelle Lernangebote zum Thema
Berufsorientierung auf. So bot sie branchenbezogene
Online-Seminare für größere Gruppen an,
die sich um Berufsorientierung, Bewerbungs- und
Auswahlverfahren sowie Ausbildungsablauf und -inhalte
drehten. Dort brachten unter anderem
Ausbildungsverantwortliche und Auszubildende aus
regionalen Betrieben ihr Praxis- und Erfahrungswissen ein.
Ende Juni veranstaltete die IHK im Zuge der Kampagne auch
eine komprimierte Aktionswoche mit zahlreichen
interessanten Online-Seminaren. Darunter waren ein
Elterninformationsabend zur Berufswahl zusammen mit der
Handwerkskammer Kassel, eine Berufsorientierung mit Azubis
und Ausbildern am Beispiel Einzelhandel/Logistik, eine
Berufsorientierung mit Azubis und Ausbildern am Beispiel
Metall/Elektro sowie ein Bewerbungstraining, bei dem es
Tipps und Tricks von Experten gab. Des Weiteren
konzipierte die IHK mit der Stadt Kassel und anderen
Partnern ein digitales
Speed-Dating mit Ausbildungsbetrieben,
bei dem sich Bewerber und Unternehmen per Videokonferenz
kennenlernen konnten.
Flankierend können Lehrstellensuchende und Unternehmen
auf der Online-Plattform
www.ihk-lehrstellenboerse.de
nach freien Ausbildungsplätzen recherchieren und Angebote
einstellen. Dort finden sich ganzjährig zudem umfangreiche
Informationen zu den verschiedenen Berufsbildern. Diese
sind in Form von Steckbriefen angelegt und werden durch
Videos ergänzt. Selbst jene Jugendlichen, die sich noch
nicht für einen Beruf entschieden haben, können mithilfe
eines Talent-Checks prüfen, welche Angebote zu ihnen
passen. Die Betriebe ihrerseits können abgleichen lassen,
welche der Profile von Ausbildungssuchenden ideal auf ihre
Angebote passen. Damit keine Information verloren geht,
werden Bewerber und Betriebe per E-Mail benachrichtigt, ob
sich etwas Erfolgversprechendes auf ihrer Seite tut. Auf
der Plattform sind mehrere Hundert Angebote aus Nordhessen
und dem Kreis Marburg eingestellt.
Ein neuer Bestandteil der Kampagne sind kostenfreie
Online-Treffpunkte, zu denen die IHK im
Herbst und Winter einlud. Am 11. November ging es unter
dem Titel
Einstieg als Ausbildungsbetrieb darum,
wie Ausbildung organisiert werden muss und welche
Bedingungen zu erfüllen sind, um als Ausbildungsbetrieb
zugelassen zu werden. Die Veranstaltung
Netzwerk Unternehmen integrieren Flüchtlinge: Workshop
Prüfungsvorbereitung für Ausbilder
am 1. Dezember beschäftigte sich mit den Besonderheiten
der Ausbildung von jungen Menschen mit Flucht- und
Migrationshintergrund. Dort kommt zu den Hürden des
Einfindens in das Berufsleben sowie der Doppelbelastung
durch Betrieb und Berufsschule noch die Fach- und
Prüfungssprache hinzu. Ferner fehlt häufig die Erfahrung
mit einem auf Eigeninitiative und Selbstständigkeit
setzenden Schulsystem. In diesem Online-Seminar erhielten
Ausbilder Tipps, wie sie Auszubildende zum Lernen
motivieren, Lerntechniken vermitteln und auf die
Abschlussprüfung vorbereiten. Im zweiten Teil des
Workshops wurden beispielhafte Prüfungsaufgaben für
verschiedene Ausbildungsfächer besprochen, vor allem zur
WISO-Prüfung.
Perspektivwechsel | IHK-Azubis berichten
„Wir starten trotz Corona mit Zuversicht
in das kommende Jahr“
Freitag, 13 März 2020. Diesen Tag wird so schnell niemand vergessen. Ich saß im Assistenzbereich der Hauptgeschäftsführung und verfolgte gemeinsam mit den Kolleginnen die aktuelle Lage und die geplanten Maßnahmen, die nur neun Tage später zu einem Lockdown in Deutschland führten. Es war ein Zustand eingetreten, den es zuvor so noch nie gegeben hatte. Ein Zustand, der uns vor neue Herausforderungen stellte. …
Bei uns im Assistenzbereich herrschte an diesem Tag große Unruhe. Schnell setzten sich Hauptgeschäftsführung und Personalleitung zusammen, um über notwendige Maßnahmen in der IHK Kassel-Marburg zu beratschlagen. Dann wurde ich von Frau von Obernitz gebeten, auf zunächst unbestimmte Zeit nach Hause zu gehen und auch die restlichen Auszubildenden zu informieren. Perplex machte ich mich auf den Nachhauseweg. Gleiches galt für die anderen Auszubildenden. Die Abschlussprüfung Teil 1, die vier der sieben IHK-Auszubildenden ablegen sollten, wurde noch an jenem Freitag abgesagt und verschoben. Keiner hatte eine Antwort darauf, wann wir unsere Prüfung, für die wir einige Zeit gelernt hatten, absolvieren können.
„Die Stimmung war angespannt, weil Corona ein immer ernsteres und präsenteres Thema wurde. Für mich persönlich auch, weil ich kurz vor der Abschlussprüfung Teil 1 stand.“
Zu Hause warteten wir schließlich alle auf den Anruf der Personalabteilung, wie es denn nun mit unserer Ausbildung in der IHK weitergehen sollte. Dieser Anruf erreichte uns am Montag darauf. Man versorgte uns mit Projekten, die wir während unserer Zeit zu Hause erarbeiten konnten. Durch den regelmäßigen Austausch mit der Personalabteilung per Telefon fühlten wir uns nicht allein gelassen, sondern gut betreut. Der Großteil der Projekte verfolgte das Ziel, den Internetauftritt der IHK Kassel-Marburg zu verbessern und Einblicke in die Welt der Sozialen Medien zu erlangen. Inspirationen haben uns hierfür auch andere Industrie- und Handelskammern geliefert. Des Weiteren kontaktierten wir die Mitgliedsbetriebe, die stark unter den Auswirkungen der Corona-Pandemie zu leiden hatten, und boten unsere Hilfe an. Viele Unternehmer schätzten diese Anrufe und nahmen das Angebot dankend an
„Jeder Gesprächsteilnehmer hatte im Vergleich zu den anderen Betrieben eine andere spannende Frage, die ich an die Kolleginnen und Kollegen weitergeleitet habe. Der Kundenkontakt hat mir Freude bereitet und neue Einblicke verschafft.“
Was den schulischen Teil unserer Ausbildung betrifft, sorgt Corona für viele Schwierigkeiten. Der Lehrplan in der Berufsschule wurde aufgrund der Schulschließungen durcheinandergebracht, sodass viele Inhalte bis heute meist noch nicht vollständig nachgeholt wurden. Während des Lockdowns im März ließen viele Schulen uns Materialien und Aufgaben per E-Mail zukommen. Oft wurden Fristen gesetzt, die unmöglich einzuhalten waren. Das führte zu zusätzlichem Frust.
„Nebenher trudelten viele Aufgaben, von der Berufsschule ein, die oftmals sehr kurze Abgabefristen hatten, sodass ich mich in Absprache mit dem Ausbilder nur den Schulaufgaben gewidmet habe. In diesem halben Jahr musste ich mir den Stoff des ersten Lehrjahres selber beibringen.“
Auch das mobile Arbeiten stellte uns Auszubildende vor neue Herausforderungen. Wir mussten unsere Arbeitsplätze zu Hause einrichten und uns mit der Technik vertraut machen. Nach einer kurzen Eingewöhnungszeit boten sich durch Home Office jedoch neue, spannende Eindrücke. Ein positiver Aspekt war die Zeitersparnis, da der Weg zur Arbeit und wieder nach Hause wegfiel.
Im September durften wir mit Justin Lippold schließlich einen weiteren Auszubildenden in unserem Azubi-Team begrüßen. Er hatte aufgrund der Hygiene- und Abstandsregeln keinen Vergleich zur Arbeitswelt in der IHK vor Corona. Dennoch fand er sich trotz der Kontaktbeschränkungen gut zurecht und war sehr dankbar, dass er in einer solch schwierigen Zeit einen Ausbildungsplatz gefunden hatte.
„Mein neuer Ausbildungsbetrieb war super verständnisvoll und hat in einem sehr kurzen Zeitraum in der letzten Woche vor dem 1. September alles arrangiert und mich eingestellt, was für mich die letzte Rettung war in der stressigen und schwierigen Suche nach einer Ausbildung in Zeiten von Covid-19.“
Hürden sind da, um sie zu überwinden. Deshalb starten wir trotz Corona mit Zuversicht in das kommende Jahr und machen das Bestmögliche aus der Situation, um unsere Ausbildung mit guten Leistungen abzuschließen.
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